Du bist, was du isst
Man sollte meinen, dass die Art und Weise sich zu ernähren ausschließlich den Inhalt
des eigenen Kühlschranks beeinflusst. Tut es aber nicht. Individuelle Ernährung ist ein Lifestyle geworden. Über den kruden Krieg zwischen Veggies und Fleischessern.
Kürzlich erhielt ich eine Einladung zum veganen Laufen. Richtig, veganes Laufen. Prompt bemühte sich mein Hirn mir das passende Bild in die hohle Stirn zu werfen. Error, Auftrag abgebrochen, Fehlermeldung 404! Eine Ansammlung tierfreundlicher Ernährungsregeln und eine Form der Fortbewegung – wie genau kann das auf eine einzige Tätigkeit reduziert werden? Die graue Masse hat keine Idee, Grübelersatz Google auch nicht. Was sagt denn der Initiator besagter veganer Laufgruppe selbst dazu? „Wenn man sich vegan ernährt, kommt automatisch eine im Vergleich zu vorher gesteigerte Leistungsfähigkeit und der Wille, lange gesund zu leben. Man möchte einfach noch mehr mit sich ins Reine kommen, körperlich und mental.“ So kommt der Veganer offenbar zwangsläufig irgendwann zum Laufen. Puh.Automatisch leistungsfähiger, gesünder und reiner – ausschließlich durch vegane Ernährung? Und dem Porschefahrer verleiht sein Gefährt Macht, Reichtum und Potenz. Seht ihr: Totaler Murks.
Vegane Parallelwelt
„Neben dem Geschlechtstrieb bestimmt kein Bedürfnis das Handeln der Menschen so sehr wie die Sehnsucht nach moralischer Überlegenheit“. Ein Satz Franz Werfels von zeitloser Wahrheit. Denn: Ist es nicht ein Phänomen, dass die Sehnsucht nach Abgrenzung gegenüber anderen häufig zu einer Art alle Lebensbereiche durchdringender Über-Identifikation mit dem eigenen Lieblingsthema führt? Soll heißen: Plötzlich fährt man vegan Mountainbike, philosophiert vegan über Poesie und verliebt sich selbstverständlich auch vegan auf vegan-rohköstlichen Singlepartys.Aber halt, halt, halt! Nicht dass hier der Eindruck entsteht, ich würde ausschließlich auf Fleischvermeidern rumhacken. In Ostfriesland gibt es andersherum eine Gemeinschaft mit dem klingenden Namen: „Der Club der bekennenden Fleisch- und Wurstesser“. Das Distinktionsmerkmal jedes Clubmitglieds? Eine weiße Krawatte mit putzigen bunten Wurstbildchen darauf. Wem das bloße Binder-Bekenntnis zum toten Tier nicht reicht, der schreibt Wutbücher gegen die bloße Existenz von Vegetariern und Veganern. So wie die Herren, die im Hirzel Verlag die selbsternannte „Kampfschrift“ „Don’t go Veggie“ veröffentlicht haben. Veganismus und Vegetarismus wird hier, ganz klar, als Symptom einer autoaggressiv motivierten Essstörung entlarvt. Mehr braucht man dazu nicht sagen.
Krieg der „Individualisten“
Und weil auch das ZDF erkannt hat, dass dieser Krieg der „Individualisten“ so lustig ist, sollten Vegetarier und Fleischesser als Gladiatoren in der TV-Arena gegeneinander antreten. „Vegetarier gegen Fleischesser – das Duell“, war im Frühjahr 2014 zur Primetime geplant und groß angekündigt. Doch dann der Schock: Die Show musste im letzten Moment einer Doku über einen Flugzeugabsturz weichen. Skandal! Schnell wurde in den sozialen Medien die Fleischlobby als virtuelle Sau durchs Netz-Dorf getrieben. Klar, denn die Fleischverzehrer können das Duell ja nur verloren haben. Oder?Als die Sendung im Herbst endlich doch ausgestrahlt wird, ist das Ergebnis ernüchternd: Keine Seite hat eindeutig gewonnen. Im Gegenteil: Am Ende sitzen „die Gegner“ gemeinsam an einem Tisch und jeder isst, was ihm schmeckt. So ist das eben mit der Realität – sie ist oft etwas langweilig.
Denn die bittere Wahrheit ist: Vegan macht nicht schön, nicht stark und auch nicht seelenreiner.
Fleisch essen aber auch nicht.
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