Donnerstag, 19. Dezember 2013


Rettung aus der Retorte

Was wäre, wenn man Fleisch künstlich reproduzieren könnte? Was klingt wie eine Star-Trek-Fantasie, ist inzwischen Wirklichkeit. Die Lösung für unglückliche Vegetarier?

 

Wussten Sie eigentlich, dass ich mich nach dem Verzehr meiner ersten Tofuwurst spontan übergeben musste? Oh. Entschuldigung. Ich hoffe, ich störe Sie nicht beim Essen? Nein? Gut. Denn es stimmt wirklich, aber ist nun schon über 10 Jahre her. Wie ich ausgerechnet jetzt auf dieses etwas unappetitliche Thema komme? Nein, nein – die zuletzt gefeierte Weihnachtsfeier hat nichts damit zu tun.

Lang- und Kurzzeitvegetarier 

In einem der letzten Posts habe ich mich ja mit der Einteilung von Vegetariern beschäftigt: Puddingvegetarier, Flexitarier und Frutarier – Sie erinnern sich? Heute ist mir jedoch noch etwas aufgefallen. Es gibt eine Art Überkategorie all dieser „Pflanzenfresser“: Langzeit- und Kurzzeitvegetarier. Ich zum Beispiel bin eine Langzeitvegetarierin – fleischfrei seid +/- 20 Jahren. So genau weiß das niemand, nicht mal meine Mutter, die sich übrigens Zeit meines Lebens einen Spaß aus dem Versuch machte, mir Fleisch unters Essen zu mogeln. Wie oft habe ich Müllbeutel nach blutigen Beweisen durchsucht! Aber das ist eine andere Geschichte.

 Ausgespieener Fleischersatz

Was das alles mit dem ausgespieenen Fleischersatz zu tun hat? Nun ja: Der Verzehr eines wurstförmigen Nahrungsmittels, das auch noch im Geschmack dem eines echten Tieres ähneln sollte, kam mir so neu vor, dass er prompt Brechreiz auslöste. Normalerweise bin ich aber nicht so militant, ich schwöre es. Das Wurstscheibchen, das mein Brot berührt hat? Kein Problem. Der Duft des Weihnachtsbratens, der das Haus durchströmt? Lecker! Aber wie das alles schmeckt? Keine Ahnung! Ich habe es schlichtweg vergessen. Und was man nicht kennt, kann man nicht vermissen. Auch wenn viele „Allesfresser“ das nicht fassen können.

  Ich will etwas reißen!

Anders ist es mit dem Kurzzeitvegetarier. Er hat vor wenigen Jahren seufzend das letzte Steak verzehrt, sich eine Abschiedsträne aus dem Augenwinkel gewischt und dann aus ethischen Gründen dem Fleischgenuss Adieu gesagt. Sehnen jedoch, ja verzehren wird er sich weiterhin nach dem toten Tier. Vor kurzem habe ich in einer TV-Koch-Show eine Dame sagen hören: „Nach 7 Jahren Vegetarismus wollte ich meine Zähne endlich wieder in ein Stück Fleisch versenken – etwas reißen!“. Wie archaisch! Wie prähistorisch! Aber ob Sie es mir nun glauben oder nicht: Ich verstehe diese Dame. Denn Fleischgenuss scheint eine Art animalischer Trieb zu sein, der demjenigen innewohnt, der ihn erst einmal geweckt hat. Eine Art vampiresker Kampf Kopf gegen Bauch. Und irgendwann hatte eben der Bauch der TV-Frau gewonnen...

 Schicht für Schicht 

„Einmal Kunstfleisch-Burger für 300.000 Euro, bitte!“ titelte vor einigen Monaten die ZEIT und machte mich damit neugierig. Laut der Wochenzeitung servierte Forscher Mark Post an diesem Tag in einer englischen TV-Show den ersten Hackburger aus der Petrischale – live gebraten und verzehrfertig inklusive Brot, Salat und Tomate. Aus, wie er versicherte, schmerzfrei entnommenen Rinder-Gewebeproben hatte Post adulte Stammzellen gewonnen, die er anschließend in einer Nährlösung aus fetaler Flüssigkeit ansiedelte und vermehrte. Die einzelnen Zellhaufen mussten dann zu mehreren Muskelstreifen zusammengefügt werden. Schicht für Schicht klebte er so seine Bulette zusammen. Und färbte sie - rein biologisch, versteht sich – mit Safran und Roter Bete fleischfarben ein.




Die Petrischale hat ganz natürlich bereits die Form einer Bulette - praktisch!
Cyberfleisch auf Brot an Salat und Tomate.

 

 Cyberfleisch? Mit Soße ok!

„Eine mögliche Lösung für meine Kurzzeitvegetarier?”, habe ich mich da gefragt. Immerhin scheinen diese durch das inzwischen relativ breite Angebot an Tofu-Fleischersatzprodukten in den Supermärkten noch nicht befriedigt zu sein. Kein Wunder, finde ich. Denn aus Gourmandisen-Sicht betrachtet: Wer könnte schon wirklich etwas lustvoll verzehren, das statt knusprig braun meist leichenfarben ist? Und statt saftig eher zäh wie Knete schmeckt? Eben. Die ins TV-Studio eingeladenen Ernährungsexperten gaben sich dennoch unentschlossen gegenüber der Retorten-Bulette. Lebensmittelforscherin Hanni Rützler stellte sich die Frikadelle zwar etwas saftiger vor, aber mit ein wenig Salz und Pfeffer und viel Soße sei das 300.000 Euro teure Produkt schon „ganz ok”. „In 10 bis 20 Jahren ist das künstliche Fleisch marktreif“, verkündete Post schließlich live. Bis dahin fließe allerdings noch viel Geld und Forschschweiß.
    Ob ich als Langzeitvegetarierin dem Pseudo-Fleischbrät eine Chance geben würde? Hmm. 300.000 Euro in eine Spuktüte? Das ist vielleicht dann doch ein wenig  teuer.

 

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Veggie-Evolution

Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Auch Vegetarier als gemüseverliebte Spezies stellen sich diese Fragen. Denn: Fleischlos zu leben ist keine Erfindung der Neuzeit. Quer durch die Epochen hat es sie immer gegeben - nur in unterschiedlichen Erscheinungen.

Es gibt ja böse Menschen, solche nämlich, die im Oberstufen-Biologie-Unterricht mit halbem Ohr zugehört haben und heute hämisch behaupten: „Ihr Vegetarier habt euch doch um eine Evolutionsstufe zurück entwickelt!“. Haha. Stümperhaft wird diese These dann mit einem Umkehrschluss belegt: Feuer und Fleisch ließ Affenhirn wachsen, dann lässt Feuer und Rübe Menschenhirn schrumpfen. Wie geistreich. Ich meine, wenn das wirklich wahr sein sollte, dann frage ich mich doch: Warum werden wir eigentlich nicht längst von Tigern regiert und von Hyänenkindern als Spielgefährten in Käfige gesperrt? Tja, das soll mir doch mal einer erklären...

Gestaltgewordene Ernährungs-Neurosen

Kürzlich habe ich deshalb in dem Gehobene-Veggie-Küche-Duden schlechthin, dem „Teubner Vegetarisch“, etwas über die tatsächliche Geschichte der Vegetarier gelesen. Dort stand es Schwarz auf Marmorpapier: Wir sind gar nicht die gestaltgewordene Ernährungs-Neurose unserer Zeit – was ja ebenfalls oft behauptet wird. Glück gehabt!
    „Von allem Beseelten enthalte dich!“, schrieb nämlich schon im 6. Jahrhundert vor Christus ein gewisser Herr Pythagoras. Da er glaubte, der Mensch werde in Tieren wiedergeboren, hielt er jeden Verzehr von Fleisch schlichtweg für Mord. So viel Abstraktionsvermögen hätte ich einem Mathematiker bis hierhin gar nicht zugetraut.


Der Mathematiker und Philosoph Phytagoras glaubte im 6.Jahrhudert vor Christus er werde im nächsten Leben als Tier geboren. Wie er sich da so sicher sein konnte? Keine Ahnung. Gewiss ist nur, dass er deshalb zu einem der ersten Vegetarier der Geschichte wurde.



Asketen und andere Spaßbremsen

So war die vegetarische Ernährung für die nächsten 2.400 Jahre als „pythagoräische Diät“ bekannt und halbwegs akzeptiert. Im rückwärtsgewandten Mittelalter jedoch flambierte man vorsichtshalber trotzdem nochmal den ein oder anderen Fleischverweigerer als möglichen Anhänger einer ketzerischen Sekte – man kann ja nie wissen. Erst Ende des 18. Jahrhunderts zog mit der Aufklärung wieder die Vernunft in Europa ein. So beobachteten die deutschen „Vegetarianer“ sorgenvoll das Aufkommen industrieller Erzeugnisse wie Fleischextrakt und Erbswurst. Zunächst natürlich ein lobenswerter Gedanke. Doch diese „Vegetarianer“ waren in Wahrheit nur eines: Richtige Spaßbremsen. Sie verzichteten nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Gewürze,... schlimmer: Alkohol...und wohlmöglich auch noch auf körperliche Liebe, mindestens aber den Spaß daran. So machten Sie sich grau und freudlos mit selbst Gebackenem Schrotbrot und Rohkost auf den Weg, die Welt zu „verbessern“. Und sind offenbar bis heute nicht sehr weit gekommen.

Lächeln statt Rohkost
Denn: Die modernste Evolutionsstufe des Vegetariers trägt wieder ein Lächeln statt Rohkost durch die Welt. Studien belegen: Nie zuvor lebte anteilig an der deutschen Bevölkerung ein so großer Prozentsatz ohne den Konsum von Fleisch. Der heutige Vegetarier ist kein Neurotiker, nicht auf Diät, kein Anhänger einer ketzerischen Sekte und auch sicher kein Asket mit dem Hang zur Selbstkasteiung durch Spaßentzug. „Zweieinhalb Jahrtausende nach Pythagoras betritt ein neuer Besser-Esser die Bühne Europas:“, schreibt auch die Autorin im Teubner, „der vegetarische Genießer“ – was für ein evolutives Erfolgskonzept!


 Vegetarische Küche ist Genuss für alle Sinne, denn sie ist heute so aufregend und kreativ
wie nie zuvor. Über 180 vegetarische Höhenflüge in Rezeptform, entwickelt von 13 Spitzenköchen und einzigartig in Szene gesetzt, versprechen Genuss pur.
Teubner Vegetarisch, Teubner, um die
100 Euro, ISBN: 978-3-8338-2848-5.

Montag, 7. Oktober 2013

Sternstunden für VEGUXURY-Veggies

Huch? Hat mir der Stern da etwa die Idee vom grünen Gourmet geklaut? Ein Redakteur machte den total verrückten Selbsttest: Genussvoll Essen mit weniger Fleisch. Und ist nun begeisterter "Flexitarier".

"Ideen für ein genussvolles Leben mit weniger Fleisch": VEGUXURY auf dem Stern-Titel dieser Woche.
Zu Studienzeiten berichtete uns mal meine Lieblingsdozentin, dass während ihrer Zeit bei der flippigen 90er-Jahre-Frauenzeitschrift "Amica" sogenannte Selbsttests voll im journalistischen Trend lagen. "Im Schlabberlook zum Date" war eine solche literarische Selbstgeißelung, oder "eine Woche die Familie mit schlechter Laune traktieren". Das gab natürlich die ein oder andere lustige Geschichte.

Beim Nachrichtenmagazin "Der Stern" dachte sich kürzlich Redakteur Bert Gamerschlag ein ähnlich erheiterndes Spielchen aus: Er gab ein Jahr lang probeweise den "Flexitarier", also einen Halbtags-Vegetarier-auf-Gourmet-Niveau. Ganz bestimmt eine schöne Idee. Nur vielleicht nicht ganz so aussergewöhnlich wie der Autor behauptet. Und VEGUXURY-Leser natürlich wissen.

"Man kann auch auch fleischlos glücklich Leben", schreibt Gamerschlag also in dem Artikel. Vor allem lebe es sich abwechslungsreicher, sagt er, weil Mutter Natur uns so viel böte. Als aktiven Vegetarier beschreibt sich der Stern-Redakteur nun, als einen, der selbst vegetarisch kochen lernte und als Gast weder nörgelt, noch missioniert. Wunderbar: Genauso stelle auch ich mir den modernen Vegetarier vor!

Kritikern so richtig auf die Nerven gehen kann mit Beispielen und Grafiken zum Thema "Besser-Mensch-Vegetarier".


Schade nur, dass dann irgendwie doch missioniert wird. Nämlich am Rande des Artikels und in Form von den ewig gleichen Grafiken und Beispielen zum Thema "Besser-Mensch-Vegetarier". Fleischverweiger kriegen weniger Krebs und Infarkte. Aha. Das reinere Gewissen haben sie auch. Oh, oh! Und dann kommt - natürlich -  mein Lieblingsbeispiel: die "Produktion" einer Kuh verschwende im Vergleich zu einer Kartoffel eine Trillion Liter mehr Wasser. Aua, unsexy! Und so geht man mit dieser Besserwisserei Kritikern  nochmal so richtig schön auf die Nerven. Und das obwohl man sie schon fast für die eigene Sache gewonnen hatte.

Wie auch immer. Das total verrückte Ergebnis, des total ungewöhnlichen Selbsttests lautete am Ende also: Ein genussvolles Leben mit weniger Fleisch ist absolut möglich. Mensch, mensch. Das hätten ich dem Herrn aber auch vorher sagen können. Oder habe ich das vielleicht sogar?
















Dienstag, 1. Oktober 2013

Mini-Pudding-Vegetarier und andere Herbivore

Anlässlich des heutigen Welt-Veggie-Tags habe ich mich mal mit der Einordnung von
Ernährungstypen beschäftigt. Das Ergebnis: Pudding-Vegetarier, Frutarier, Veganer –
wenn es um die bevorzugte Speiseform geht, scheint alles möglich zu sein...

Sollte mich mal ein Psychologe zu meiner Kindheit befragen, hab ich seit kurzem die passende Antwort für ihn: Als Kind war ich ein Pudding-Vegetarier. Kein Witz, das ist offenbar ein eingetragener Begriff. Ich habe ihn bei Wikipedia gefunden – sofern Sie dies als stichhaltige Qualitätsquelle gelten lassen.
Und was soll das sein – ein Pudding-Vegetarier – fragen Sie sich nun? Ein Vegetarier, der sich zwar fleischlos ernährt, aber keinesfalls der leckeren Schokolade & Co entsagt. Schlimmer noch: Er bevorzugt den Zucker! Denn wozu auch der Verzicht? Schokolade hat schließlich weder Fell noch Beine. Vegetarier seien pauschal rank, schlank und urgesund, glaubten Sie? Nichts als ein schmeichelhaftes Vorurteil. Leider.

Früchte, sonst nichts

Doch es gibt noch andere Formen des Herbivorismus, also der rein pflanzlichen Ernährung, von denen auch ich erst kürzlich erfahren habe. Obskur zum Teil!  Haben Sie beispielsweise schonmal von Frutariern gehört? Diese Spezies verzehrt – wie der Name schon vermuten lässt – ausschließlich: Früchte. Allerdings, damit es nicht zu simpel wird, nur solche, die sie ernten können, ohne die Stammpflanze zu schädigen. Soll heißen: Nur den Apfel, der sich freiwillig des Lebens müde vom Baum gestürzt hat. Deshalb stehen auch keine Gemüsepflanzen auf dem frutarischen Speiseplan. Durch den Verzehr von Blättern, Stielen oder Wurzeln würde die Pflanze schließlich zerstört werden.
Stellen wir uns doch mal einen derartigen „Fallobstler“ im Spitzen-Restaurant vor: Der arme Koch, der versichern muss, den hilflosen Apfel nicht mit Gewalt vom Baum gerüttelt zu haben! Und überhaupt: Ein Menü aus Obst-salat, -püree und -kompott zuzubereiten macht sicher wenig Freude.


Ohne Gelatine ein rein vegetarisches
Vergnügen: Die Sahnetorte.


Vegetarier-Sein ist Standard

Noch spotte ich. Aber in zehn bis fünfzehn Jahren, da sind mir meine eigenen Zeilen vielleicht sogar schon peinlich. Als Kind, als Mini-Puddingvegetarier, da blieb mir beim Restaurantbesuch oft nichts anderes übrig, als die klassische Pizza Margherita, oder die fragwürdige Beilagenzusammenstellung Pommes Frites mit Sauce Hollandaise und anfallenden frittierten Gemüsen. Aber heute? Heute bekommt man doch noch im hintersten Eckchen Castrop-Rauxels eine leckere und gesunde Veggie-Alternative. Aber was sage ich Alternative – ein vegetarisches Menü gehört inzwischen eigentlich in jedem Restaurant zum Standard auf der Karte.

Vegan-Sein ist hip

Und diesen Standard beginnen nun auch die Veganer für sich zu beanspruchen. Verständlich. Küchenchefs wie Björn Moschinski arbeiten daran, vegane Küche weiter auf Spitzenniveau zu etablieren. Noch verständlicher. Noch vor wenigen Jahren befanden sich Veganer als Jutebeutel schleppende Hippies am Rande der schicken Gesellschaft. Heute werden besagte Beutel als hip gewordenes Accessoire in die gehobene Gastronomie getragen.
Also wer weiß: Irgendwann einmal wird selbst der frutarisch korrekt vom Baum gefallene Apfel mit Blattgold bestrichen werden. Solang das Gold niemand gewaltsam aus dem Stollen gerissen hat, versteht sich...

Mittwoch, 18. September 2013

Alpträume, Alpschäume

Vegetarier haben es nicht leicht, Chefköche auch nicht. Die einen mäkeln ständig an der Speisekarte herum, die anderen geben sich größte Mühe dem gerecht zu werden. Dabei wäre doch alles so einfach: Serviert noch viel mehr von dem Guten! Und vor allem: Keinen Gurkenschaum. 

Gurkenschaum, immer wieder Gurkenschaum. Ich meine, die Rechnung ist doch ganz einfach: Wenn eine ganze Gurke lediglich über einen Energiewert von circa 20 kcal verfügt – wie hoch kann dann schon der eines kleinen Gläschens des bloßen grünen Gemüseschaums sein? Richtig: Er geht gegen null. Denn ich betone hier bewusst den ENERGIEwert, nämlich die Kraft, die uns durch die Nahrungsaufnahme zurückgeführt werden soll. Möglicherweise denken Sie jetzt nämlich nur noch an das „Fettmach-Monster“ Kalorie. Vielleicht gehören Sie gar zu denjenigen, die ständig versuchen es durch akribisches Zählen zu bezwingen. Doch vergessen Sie nicht: Essen soll nicht nur Genuss liefern, sondern eben auch Lebenskraft. Und davon liefert besagtes Stangengewächs leider kaum etwas. Haben Sie zum Beispiel schon mal versucht mit nichts als einer aufgepusteten Gurke im Magen einen Marathon zu laufen? Nur einen langen Spaziergang zu wagen? Meinetwegen schlicht einen klaren Kopf zu behalten? Sehen Sie: Fehlanzeige. Viel mehr als Schaum wäre da auch nicht mehr in Hirn und Wade.


Vegetarier haben Hunger!

Nun, Sie werden sich jetzt fragen, wie ich dazu komme ausgerechnet über die Energiebilanz von mit Luft versetzten Gemüseessenzen zu sinnieren. Verständlich. Dazu gibt es ein seltsames Antworten-Triptychon: a) Ich bin Vegetarierin. b) Ich bin eine vielleicht nicht ganz so erfolgreiche, aber dafür doppelt so ambitionierte Triathletin. Und c) Ich habe einen Faible für die gehobene Küche. Eine bösartige Kombination? Ja, ja, ja… Sie haben ja Recht. Denn eines haben Exemplare meiner seltenen Spezies immer: Hunger. Aber daran sind wir nicht allein Schuld. Denn landläufig gilt in diesem aber auch in anderen Ländern die betonharte Meinung: Wer keinen Appetit auf Fleisch hat, der hat auf gar nichts Appetit. Wie sonst sollte ich mir die immer wieder gestellte Frage erklären: „Du isst weder Meer- noch Landbewohner? WAS ISST DU DENN DANN?“. Gurkenschaum! Was sonst?

 

 Leerer Brotkob, leerer Magen 

Genau diesen bekam ich nämlich schon bei meinem allerersten Gourmet-Restaurantbesuch vorgesetzt. Und dann mal als Vorsuppe, mal zum Hauptgang, mal dazwischen. Immer wieder. Aber auch von „Drei Rote Beete Ravioli an Ingwer- Chilli-Espuma“ und ähnlich Minimalem wird nicht einmal ein ach so freudloser Vegetarier satt. Und so schauen wir hungrig zu unseren Tischherrn und Damen hinüber, beobachten mit knurrenden Mägen wie sie dick geschnitten Kobe-Beef-Stücke verschlingen. Rettungssuchend tastet sich so also der nächste fleischleere Blick zum Brotkorb hinüber – der von ungeduldigen Nicht- Vegetariern, den Karnisten quasi, bereits vor Beginn des Menüs restlos geleert wurde. Na dann: Prost Gurkenschaum!

Von Gutem kriegt man nie genug 

Liebe Chefköche, dies ist kein Angriff auf euer Können! Denn wir Vegetarier sind eindeutig das, was das norddeutsche Wort „krüsch“ am besten beschreibt: penibel wählerisch. Was ihr dennoch - in den allermeisten Fällen - aus den vegetablen Schätzen der Natur spontan auf unsere Teller zaubert, ist hingegen wunderbar. Und genau deshalb wollen wir ja auch nur eines davon: Mehr!

Gurkenschaum aus dem "Le Moissonnier", Köln.