Mittwoch, 22. April 2015

Du bist, was du isst

Man sollte meinen, dass die Art und Weise sich zu ernähren ausschließlich den Inhalt
des eigenen Kühlschranks beeinflusst. Tut es aber nicht. Individuelle Ernährung ist ein Lifestyle geworden. Über den kruden Krieg zwischen Veggies und Fleischessern.

Kürzlich erhielt ich eine Einladung zum veganen Laufen. Richtig, veganes Laufen. Prompt bemühte sich mein Hirn mir das passende Bild in die hohle Stirn zu werfen. Error, Auftrag abgebrochen, Fehlermeldung 404! Eine Ansammlung tierfreundlicher Ernährungsregeln und eine Form der Fortbewegung – wie genau kann das auf eine einzige Tätigkeit reduziert werden? Die graue Masse hat keine Idee, Grübelersatz Google auch nicht. Was sagt denn der Initiator besagter veganer Laufgruppe selbst dazu? „Wenn man sich vegan ernährt, kommt automatisch eine im Vergleich zu vorher gesteigerte Leistungsfähigkeit und der Wille, lange gesund zu leben. Man möchte einfach noch mehr mit sich ins Reine kommen, körperlich und mental.“ So kommt der Veganer offenbar zwangsläufig irgendwann zum Laufen. Puh.
    Automatisch leistungsfähiger, gesünder und reiner – ausschließlich durch vegane Ernährung? Und dem Porschefahrer verleiht sein Gefährt Macht, Reichtum und Potenz. Seht ihr: Totaler Murks.

Vegane Parallelwelt

„Neben dem Geschlechtstrieb bestimmt kein Bedürfnis das Handeln der Menschen so sehr wie die Sehnsucht nach moralischer Überlegenheit“. Ein Satz Franz Werfels von zeitloser Wahrheit. Denn: Ist es nicht ein Phänomen, dass die Sehnsucht nach Abgrenzung gegenüber anderen häufig zu einer Art alle Lebensbereiche durchdringender Über-Identifikation mit dem eigenen Lieblingsthema führt? Soll heißen: Plötzlich fährt man vegan Mountainbike, philosophiert vegan über Poesie und verliebt sich selbstverständlich auch vegan auf vegan-rohköstlichen Singlepartys.
    Aber halt, halt, halt! Nicht dass hier der Eindruck entsteht, ich würde ausschließlich auf Fleischvermeidern rumhacken. In Ostfriesland gibt es andersherum eine Gemeinschaft mit dem klingenden Namen: „Der Club der bekennenden Fleisch- und Wurstesser“. Das Distinktionsmerkmal jedes Clubmitglieds? Eine weiße Krawatte mit putzigen bunten Wurstbildchen darauf. Wem das bloße Binder-Bekenntnis zum toten Tier nicht reicht, der schreibt Wutbücher gegen die bloße Existenz von Vegetariern und Veganern. So wie die Herren, die im Hirzel Verlag die selbsternannte „Kampfschrift“ „Don’t go Veggie“ veröffentlicht haben. Veganismus und Vegetarismus wird hier, ganz klar, als Symptom einer autoaggressiv motivierten Essstörung entlarvt. Mehr braucht man dazu nicht sagen.

Krieg der „Individualisten“

Und weil auch das ZDF erkannt hat, dass dieser Krieg der „Individualisten“ so lustig ist, sollten Vegetarier und Fleischesser als Gladiatoren in der TV-Arena gegeneinander antreten. „Vegetarier gegen Fleischesser – das Duell“, war im Frühjahr 2014 zur Primetime geplant und groß angekündigt. Doch dann der Schock: Die Show musste im letzten Moment einer Doku über einen Flugzeugabsturz weichen. Skandal! Schnell wurde in den sozialen Medien die Fleischlobby als virtuelle Sau durchs Netz-Dorf getrieben. Klar, denn die Fleischverzehrer können das Duell ja nur verloren haben. Oder?
    Als die Sendung im Herbst endlich doch ausgestrahlt wird, ist das Ergebnis ernüchternd: Keine Seite hat eindeutig gewonnen. Im Gegenteil: Am Ende sitzen „die Gegner“ gemeinsam an einem Tisch und jeder isst, was ihm schmeckt. So ist das eben mit der Realität – sie ist oft etwas langweilig.
Denn die bittere Wahrheit ist: Vegan macht nicht schön, nicht stark und auch nicht seelenreiner.
    Fleisch essen aber auch nicht.

 

Dienstag, 17. Februar 2015

Lügenwurstpresse!

Die Medien sprechen von "Trend", als wäre Vegetarisch-Leben ein neues Strumpfhosenmuster. Was für ein Murks, finde ich.

Trend ist ein schmutziges Wort. Warum? Ein Trend ist schnelllebig, launisch, oberflächlich und arrogant. Er grenzt alle aus, die nicht auf seiner Welle surfen. Der Trend ist die Paris Hilton der Soziologie.
Deshalb mag ich auch keine Menschen, die ein und die selben Dinge jetzt „megakrass“ und später „superuncool“ finden. Heute „Achtsamkeit“, morgen „Exzess“, eklig sowas. Wobei, wenn man ehrlich ist – ganz kann man sich da selbst wohl nie von ausnehmen. Aber man muss es ja nicht gleich so übertreiben.

Systemsülzmedien

„Immer mehr Menschen verzichten auf Fleisch und essen vegetarisch oder gar vegan. Der Trend hat auch die Grüne Woche in Berlin erreicht“, so stand es doch tatsächlich neulich in unserer Regionalzeitung, um nur eine der vielen Berichterstattungen zum Thema zu nennen. Jaja, die bösen Medien. Und wer muss es dann wieder ausbaden? Ich arme Veggie-Wurst. Ständig werde ich nun gefragt: „Du machst also auch mit ... bei diesem Trend?“ Grrrrr.
Haben Sie schon mal einen Gothik-Anhänger gebeten, heute einfach mal pink zu tragen? Einen Hells Angel, ob er statt in die Kneipe mit ins Ballett wolle? Oder einen Punk, ob er morgen mal wieder Lust habe ins Büro zu gehen? Sehen Sie!
Ich habe „das Gegenteil von Trend“ gegoogelt. Weitgehend ergebnislos. Am ehesten lässt es sich wohl mit „Nachhaltigkeit“ oder „Zeitlosigkeit“ beschreiben. Demnach wurde ich nachhaltig vegetarisch geboren. Als Lebenseinstellung, nicht als Trend. Als ich ein Kind war, gab es im Supermarkt keine Veggie-Nuggets, keine Seitan-Schnitzel, keine Extra-Tofuwurst. Und niemand hat mich verdächtigt ein Trend-Veggie zu sein. So ist das im Leben: Alles hat Vor-und Nachteile.

Fleisch, die Droge der Zukunft?

Kennen Sie die Rügenwalder Mühle? Dazugehöriger Spot und Jingle haben mir Zeit meines Lebens Wohlbehagen bereitet: „Feierabend, wie das duftet! Kräftig, deftig, würzig, gut!“ Dieses Landleben, diese Familienidylle, der rauchige Duft des Buchenholzes – herrlich! Einen Vegetarier für einen Wurst-Spot begeistern – das muss doch die Erfüllung des Daseinssinns eines jeden Werbegurus sein. Doch selbst Rügenwalder erlebt derzeit eine „Trendwende“: Innerhalb der nächsten fünf Jahre sollen mindestens 30 Prozent des Umsatzes mit vegetarischen Produkten erzielt werden, stand kürzlich in der „Welt am Sonntag“. Der Wurstmarkt, so hieß es in einem Interview mit dem Rügenwalder-Chef, schrumpfe nicht zuletzt auch wegen des schlechten Images der gestopften Pelle: „Es gibt einige in der Branche, die sagen, die Wurst wird die Zigarette der Zukunft.“ Vielleicht gibt es ihn also doch: den nachhaltigen Trend.

Bulle als Befreiungskämpfer

Und noch eine Schlagzeile hat mich in den letzten Wochen bewegt: In Nordrhein-Westfalen hat ein geschundener, zu ständiger sexueller Reproduktion gezwungener Bulle seinen Bauern getötet. Ein Befreiungsschlag? Aber sicher, befand die Vorsitzende des Vereins „Animal Peace“ und verbreitete die pietätlose Kunde im Internet: „Wir verneigen uns vor dem Held der Freiheit. Mögen ihm viele weitere Rinder in den Aufstand der Geknechteten folgen“.
    Zum Glück sind Paarhufer – was derartige „Killer-Trendbewegungen“ angeht – ja nicht so dusselige Herdentiere wie wir Menschen. Tiere kennen, was Trends angeht, nur instinktive Individual-Impulse. Immer. Ich bewundere sie da für ihre Konsequenz. Und deshalb esse ich sie lieber nicht.

Dienstag, 10. Februar 2015

Fleischwurst, der vegetarische Klassiker.

Vegetarische Mißverständnisse in der "Fit for Fun".

Freitag, 5. Dezember 2014

 Lachen ist vegetarisch

Auf Fleisch zu verzichten bedeutet nicht, auch auf jeglichen Genuss zu verzichten – oder auf Lebensfreude überhaupt! Über Askese-Vegetarier kann ich deshalb nur lachen. Denn das ist schließlich gesund.

Einweihungspartys sind klasse. Neulich habe ich höchstpersönlich meine erste eigene veranstaltet. Sie kennen das: Man trinkt, man tanzt, man redet blödes Zeug. Und irgendwann wacht man am nächsten Tag zwischen Konfetti und leeren Rotweinflaschen auf und fragt sich – wie sind wir denn auf dieses Thema gekommen? Aus dem Nebel steigt ein kruder Dialog hervor: „Du bist Vegetarier?“– es ging wohl ums irgendwie versehentlich vegetarisch geratene Büffet – „aber du schreibst doch immer diese Texte gegen uns!?“ Uff.
    Schuld war a) der Alkohol? b) der Alkohol? oder c) mein literarisches Unvermögen? Nein, nein, Fehler machen natürlich nur die anderen, und so beschließe ich selbstbewusst, das besagter Partygast keine Ironie versteht.

„Keuschheit –ein Selbstversuch!“

Überhaupt finde ich, dass wir Pflanzenesser uns oft ein wenig zu ernst nehmen. Auf Facebook war ich bis neulich versuchshalber einer lokalen Vegan-Gruppe beigetreten. „Neulich“, das war der Zeitpunkt, an dem ich zu einem gemeinsamen Keksebacken mit ausdrücklich alkoholfreiem Glühwein geladen wurde. Wer kein Fleisch isst, ist also wieder Kindergartenkind?, stutze ich und recherchiere. Die „Vegan Rebels“, die hier zum Kinder-Krippenfest aufrufen, betreiben – wie soll es auch anders sein – einen veganen Blog. Hier schreiben trockengelegte Yoga-Lehrer über Fleischlos-Themen – im doppeldeutigen Sinne. Mein Lieblingsartikel: „Keuschheit – ein Selbstversuch“– ein wahr gewordener Veganer-Witz! Übrigens: Meine rebellische Anmerkung, Alkohol könne genauso gut vegan konsumiert werden – abgeschmettert! „Christina, vegane Rebellen trinken keinen Alkohol“. Klick: „Gruppe verlassen“! Ökospießer.

Ein gefundenes Fressen

Schwierig finde ich auch, wenn man dieses „sich zu ernst nehmen“ noch auf andere überträgt. Besonders wenn diese Anderen sich nicht wehren können. Sie ahnen worauf ich hinaus will? Man kann inzwischen selbst Hunde vegan ernähren! Und das nicht nur mit rebellisch gebackenen Keksen: Die Futtermittelindustrie hat längst ein Geschäft daraus gemacht – erfolgreich. Wieder ein gefundenes Fressen (Achtung Wortwitz!) für alle Veganer-Kritiker. Denn dieses Beispiel beweist, was man uns Fleischverweigerern gern unterstellt: Wir müssen unsere Ethik stets anderen Lebewesen aufdrängen.
Oder? Im Internet habe ich ein Zitat gefunden: „Früher bekamen ‚unsere‘ Hunde üblicherweise die Reste unserer Mahlzeiten, die nur selten Fleisch enthielten. Fleisch in diesen Mengen wie heute war früher unvorstellbar. Somit wurden Haustiere früher auch vorwiegend fleischlos ernährt.“ Stimmt. Aber eben auch nur vorwiegend. Ein gesundes Maß wäre hier – wie so oft im Leben – angebracht.

 

 Sex, Drugs & Tofuwurst!

Aber so ist es nun mal mit Trends: Ihre Interpretation ist exzesshaft. Und obwohl man bei ernsthaften Themen wie „Massentierhaltung“ natürlich nicht lachen darf – einige Auswüchse des derzeitigen „Vegantrends“ sind schlicht zum Hinten-überfallen. Gerade für Langzeit-Fleischlose wie mich.
    Denn: Kinder! Wer kein Fleisch isst, muss deshalb doch nicht auf sämtlichen Spaß verzichten! Das ist bestimmt nicht gesund. Weshalb mein Credo lautet: „Sex, Drugs & Tofuwurst – für alle!“ Denn lang lebt, wer am längsten lacht. Erst recht über sich selbst.

Freitag, 17. Oktober 2014

Vegan-Terroristen

Manchmal überlege ich in Anbetracht einiger „Vegetarier-Wahrheiten“ radikal zu werden, lasse es aber lieber und schreibe stattdessen Geschichten darüber.

Das schönste am Vegetarier-Sein ist, dass man nichts über sich weiß. Ja, wirklich: Die spannendsten Dinge über mich, erfahre ich aus der Zeitung. Besonders jetzt, wo man in den Großstädten das „Veggie-Sein“ als neue, brandheiße Entdeckung feiert. Dort wo plötzlich junge Menschen in sehr engen Hosen und mit sehr großen Brillen „voll veggie“ leben, „weil das mit den Tieren irgendwie so mal krass nicht okay ist“. Veggie for life! Oder eben die nächsten 3 Monate.

Radikal vegan

„Vegan: Radikale Einstellung wird zum Mega-Trend,“ las ich neulich in einer Art Alt-Herren-Weinmagazin. Eine Überschrift wie ein Dampfhammer. „Veganer? Das sind doch diese vermummten Brandstifter! Steinewerfer! Krawallmacher!“, krächzt ein grantiger Greis in meinem Ohr, mit seinem Krückstock furios durch die Luft fuchtelnd. „Mit fundamentalreligiöser Entschlossenheit“, so der Artikel, würden Veganer sämtliche Tierprodukte ablehnen. Fundamentalreligiös? So, wie diese muslimischen Glaubenskrieger, die postmortem für zehn abgeschlagene Schädel mit doppelt so vielen nackten Jungfrauen belohnt werden? Natürlich. Wen wundert es da eigentlich, das der Titel des Magazins, das diesen Text im Internet veröffentlichte, „Falstaff“ lautet? Falstaff, Shakespeares wohlbeleibter, trink- und raufsüchtiger Soldat, zur Selbstüberschätzung neigend, ein dicker Angeber und Genießer. „Fundamentalreligiös“ – so einen Quatsch kann man auch wirklich nur besoffen schreiben.

Vampir-Veganer

Und so schrieb der Autor weiter: „Sie essen nichts vom Tier und tragen auch keine Gürtel und Schuhe aus Leder.“ OH. MEIN. GOTT. Keine Schuhe! Kein Gürtel! Kein Leder! Krankhaft. Der daraufhin vergebene Titel „sauertöpfische Genuss-Taliban“, scheint deshalb nur gerecht. NUR Fleischgenuss ist Lebenslust! Hmm. Wer ist hier eigentlich die Genuss-Taliban?
„Umstritten ist auch, ob Veganer nicht tief in ihrem Inneren trotz ihrer tierfreundlichen Weltanschauung eine tiefe Lust nach Fleisch verspüren“. Lieber Autor Trunkenbold, der sie ihre Geschichten auf dem Boden eines ausgetrunkenen Weinfasses finden: Natürlich tun sie das. Denn Veganer sind eigentlich nur verirrte Vampire. Und alle schlecht gelaunten Frauen haben zu wenig Geschlechtsverkehr.

Davidine und Goliath

Doch nicht nur aus Zeitungen kann man lernen, auch aus dem Leben. Während eines Radtraining-Wochenendes in Österreich belehrte mich ein Halbprofi-Radl-Gnom über meine Essgewohnheiten. Stellen Sie sich das Männlein so vor: 1,65 cm Körpergröße, knapp 50 kg und Arme, wie Beine als Pommespieker. Ein kränkliches Kind mit Bart im Alter von 35 Jahren. „Du weißt schon das Dir wichtige Nährstoffe fehlen“, konstatierte er nach oben blickend, so laut und selbstbewusst wie kleine Menschen sprechen, die endlich mal gehört werden wollen. Die Gruppe schwieg und schmunzelte. Da standen wir: Davidine neben Goliath. Hätte ich mich in diesem Moment seitlich auf ihn fallen lassen, es hätte wohl keine fünf Minuten gedauert... Aber: Ich wollte mich nicht aufführen wie einer dieser Taliban-Veganer. Ich gab mich einfach damit zufrieden ihn und seine Nährstoffe am Abend nach einer halben Flasche Wein auf den Boden des Weinfasses getrunken zu haben. Dorthin wo so schöne Vegetarier-Wahrheiten gedichtet werden. 

Dienstag, 26. August 2014

Fische sind Pflanzen

Ich esse keinen Fisch – obwohl ich ihn nicht einmal besonders attraktiv finde.
Wer das seltsam findet, sollte diesen Text lesen.

Ich weiß ja nicht wo ihr wohnt, aber bei uns in Norddeutschland hatten wir wieder einen fantastischen Sommer. Naja, zumindest bis zum August. Einen 6-Wochen-Sommer, in dem der örtliche Terrassen-Italiener am See zum absoluten Hotspot avancierte. „Weiß oder Rot?“, galt im milde machenden Sonnenschein plötzlich als akzeptable Weinberatung. Wozu auch mehr wissen? Es schmeckt eben „weiß“ oder „rot“. „Hauptsache es duhnt!“, sagt man bei uns im Norden.

Einmal Gemischtes ohne Tier

Eines heißen Abends suchte ich bei diesem Italiener unter geschätzten 81 Positionen etwas Vegetarisches. Nothing, nada, niente, oder schlicht nüscht, um im Nordischen zu bleiben. Egal, die Sonne scheint, das Leben ist schön. „Und der Salat des Hauses – vegetarisch?“, frage ich Adriano von der Adria Küste. „Gemischtes!“, lautet die uneindeutige Antwort des Chef-Kellners. „Ohne Tier?“, bohre ich weiter. „Si, Si!“.
    40 Minuten und eine halbe Karraffe der edlen Rebsorte „Rot“ später, steht Gemischtes vor mir – im wahrsten Sinne des Wortes. Das Topping: 250 g Thunfisch à la Katzenfutter-Bukett und darüber eine tellerdicke Scheibe Schinken. Ganz zickige Veggie-Blondine, die ich bin, beschwere ich mich prompt. „Entschuldigung, ich lasse die Schinken entfernen!“, tröstet Adriano. „Und der Fisch?“, konstatiere ich noch empörter. Verständnislose Blicke. „Wieso? Die Fisch isse doch vegetarisch!“. Nee, eigentlich nicht.

Neptun, Gott der schwimmenden Pflanzen?

„Aber Fisch isst du doch?“, wie oft habe ich diese Frage schon gehört. Und: Wie oft habe ich sie nicht verstanden. Wenn die Grundidee des Vegetarier-Seins doch ist, keine Tiere zu essen – warum zum Neptun sollten Fische dann eine Ausnahme sein? Schon rein evolutionsbiologisch eine spannende Frage: Warum werden Fische, wenn es um die Ernährung geht, plötzlich zu Pflanzen?
    Vor einiger Zeit habe ich eine lustige WWF-Kampagne gesehen: Kleine pastellfarbene Fischbabys – runde Gesichtchen, große Augen – schwammen da quietschvergnügt durchs Regenbogen-Wasser: Fishpuppys! Zu deutsch: „Fischwelpen“, wie knuffelig. Rosa Kuschelschwimmer statt glitschigen, grauen Laichs. Die durchaus ernst gemeinte Frage hinter dieser Initiative: Ist etwas weniger schützenswert, nur weil es minder niedlich ist? Das muss wohl jeder für sich beantworten.


Grauer glitschiger Laich versus...

 



 

 

 

 

 

...rosa Kuschelschwimmer.

 

 

 

 

 

  

 

 

Fische: Hässlich und doof?

Die schnelle Suche im Internet zeigt: Pescetarismus ist der Verzicht auf den Verzehr gleichwarmer Tiere. Evolutionsbiologisch seien Fische viel weiter von uns entfernt, als Säugetiere, sagen die Pescetarier. Soll das heißen, dass Seetier-Vegetarier alles Essen, was eben weitaus blöder ist, als sie selbst? Das weiß wohl wirklich nur König Neptun.

Japaner: Gesund und sexlos ?

Wie zu ungefähr jeder erdenklichen Streitfrage, gibt es auch zum Thema Pesco-Vegetarier eine Studie, die alles und nichts beweist. Das Ergebnis: Fisch-Veggies leben länger. Uff. Ein Totschlagargument im besten Sinne. Oder doch nur eine Killerphrase? In Deutschland stürben über 18 Mal so viele Menschen am plötzlichen Herztod wie in Japan, wo praktisch täglich Fisch auf den Tisch käme. Klingt plausibel. Eine andere viel zitierte Japaner-Studie besagt jedoch, dass gleichzeitig immer mehr Japaner die Lust am Sex verlören – und der geht schließlich auch ordentlich auf die Pumpe.
    Und was ist bekanntermaßen noch gut für unser Zentralorgan? Richtig: Rotwein, Sonne und Gelassenheit. Ich sammle also „il tonno“ aus meinem Salat und übergebe ihn dem Pescetarier neben mir. Soll der doch länger leben – wenn auch mit Fisch und ohne Liebesakt.

Donnerstag, 26. Juni 2014

 

Armes Würstchen

Kinder, endlich kann ich zugeben, was ihr lange vermutet habt: Ich bin homotofuell! Geoutet habe ich mich natürlich nicht freiwillg, sondern ein lieber Partygast auf einem Grillfest. Und auf einem solchen kann man sowieso die schönsten Geschichten erleben!

Gerade jetzt im Hochsommer kriegt man diese Frage ja oft gestellt: Was macht ein Vegetarier eigentlich auf einem Grillfest? Tja. Satt werde ich zumindest immer. Leicht habe ich es deshalb trotzdem nicht. Sie finden, ich quengele? Naja. Es ist ja nicht so, als  würde ich regelmäßig versuchen, rohes Fleisch vorm Ertrinken in Marinade zu retten um es dann Mund zu Maserung wiederzubeleben. Ich bin kein Grillfest-Crasher. Im Gegenteil: Ich mag es, zu grillen. Essen am offenen Feuer, das ist so ursprünglich, so natürlich, so gesellig. Ich freue mich über jede Einladung, wirklich!

Es geht um die Wurst 

So war ich vor einiger Zeit bei lieben Menschen zum Grillfest mit Lagerfeuer und kompletter Nachbarschaft geladen. Mit Nachbarn ist es ja wie mit der eigenen Familie: man kann Sie sich nur bedingt aussuchen. Kaum im Garten angekommen, beginnt also die Jagd auf die arme Wurst. In diesem Fall: mich. Die Gastgeber nämlich – um meine außergewöhnlichen Ernährungsgewohnheiten wissend – hatten sich im Vorfeld mit Fleischersatzprodukten ausgerüstet. Ein lieber Gedanke! Das, was daraus folgte, konnte niemand erahnen – nicht mal ich. „Wann ist die Tofuwurst denn fertig?“, ruft also der Gastgeber quer durch den Garten in meine Richtung, „bei den Dingern erkennt man das ja immer nicht so richtig!“. Der hat gesessen. Stille. Köpfe drehen sich, ich erkenne leichtes Schütteln. Viel zu viele Augen scheinen plötzlich auf mich gerichtet zu sein. „Ich bin enttarnt!“, durchströmt es mich. Das ältere Nachbar-Ehepaar am Grill beäugt währenddessen kritisch den lehmartigen Schlauch-Bratling auf dem Rost.


 Tofu macht homo

„Dü bisd jah vergäahrd rüm!“, sächselt der Nachbar mit Walross-Schnäuzer und Hut. „Ähhm, okaaay“, stottere ich total überrumpelt, habe ich doch gerade erst fünf Minuten zuvor den Garten betreten und noch nicht mal jedem die Hand geschüttelt. Doch ehe ich mich gegen den Vorwurf der Homo-Tofu-alität wehren kann, fällt mir seine Frau ins Wort. „Günn isch des mol brhöbi`an?“, fragt sie, ohne auch nur zu versuchen, den Ekel in ihrem Gesichtsausdruck zu verbergen. Nun gut, ich habe zwar einen Mordshunger, die Menge der vegetarischen Lebensmittel ist wie auf jedem Fleischfresser-Fest streng limitiert, aber „brhöbi`an“ kann sie ja mal.  „Klar“, sage ich sichtlich verwirrt und schon landet mehr als die Hälfte des Sojaprodukts auf ihrem Teller.  Mit spitzen Fingern nimmt die Dame die Wurst, verschlingt sie, kneift die Augen zusammen und schüttelt sich – als äße ein Asia-Tourist zum ersten Mal einen lebenden Mehlwurm. „Dah würst jah grang von“, konstatiert der Walross-Schnäuzer und freut sich über diese medizinisch sicherlich belegte Erkenntnis. Ja, genau denke ich – und von Salat schrumpft der Bizeps.

Tierfleisch-Plagiate 

Ich beginne nach einem großen Schluck Wein Ausschau zu halten und bewege mich rüber zu dem Tisch mit den Getränken. „Wieso isst du überhaupt etwas, das Tierfleisch imitiert?“, beschwert sich prompt der nächste weibliche Gast bei mir. „Bitte?“, frage ich noch etwas verwirrter. Immerhin habe ich selbst noch keinen Bissen gegessen, geschweige denn die verdammte Wurst des Anstoßes in diesen scheinbar immer enger werdenden Garten geschleust. „Naja“, sagt sie, „echte Vegetarier grillen Gemüse!“. „Ok, ach so“, sage ich, die Pseudo-Vegetarierin. Ich bin bereits zu kraftlos, um mich zu wehren. Wobei die Dame ja auch Recht hat: Soja-Steak, Soja-Knacker, Soja-Schnitzel, Soja-Geschnetzeltes, Soja-Gyros, Soja-Burger… Menschen, die fleischlose Gerichte entwickeln, sind sicher alles, aber keine Vegetarier.
    Klar, wenn die armen Schweine schon kein Fleisch essen dürfen, dann sollen die Sojabrocken wenigstens so aussehen wie totes Tier. Ich frage mich: Warum plagiieren vegetarische Lebensmittel so oft Fleischprodukte? Man schreit doch auch nicht nach freier Liebe und trägt dann eine Burka! Und wieso überhaupt immer wieder diese lehmigen, geschmacklosen Konsistenzen? Kein Wunder, dass man uns für solch` leidenschaftslose Genussfeinde hält, wenn die Supermarktregale voll sind mit diesen in verschiedene Formen gepressten Matschklumpen. Dabei gibt es für Vegetarier auf dem Grillfest so viele tolle Alternativen: Grillkäse und leckerer, knuspriger Halloumi zum Beispiel. Man kann so gut wie jedes Gemüse grillen: gefüllt, mariniert, bekräutert, umwickelt – es gibt tausend Möglichkeiten. Oder wie wäre es mit der guten alten Back-oder Grillkartoffel, die lieben alle, nicht nur Vegetarier. Sogar Obst als Dessert funktioniert auf dem Grill. Und natürlich vieles, vieles mehr.

 Das Beste am Feste

Selbst wenn der Gastgeber mal überhaupt rein gar nichts Vegetarisches vorbereitet haben sollte, finde ich auf jedem Grillfest etwas, was mich glücklich macht: Ein schönes, kaltes, frisch gezapftes Bier. Denn das kann man in Anwesenheit des einen oder anderen Partygasts auch wirklich gut gebrauchen.