Dienstag, 26. August 2014

Fische sind Pflanzen

Ich esse keinen Fisch – obwohl ich ihn nicht einmal besonders attraktiv finde.
Wer das seltsam findet, sollte diesen Text lesen.

Ich weiß ja nicht wo ihr wohnt, aber bei uns in Norddeutschland hatten wir wieder einen fantastischen Sommer. Naja, zumindest bis zum August. Einen 6-Wochen-Sommer, in dem der örtliche Terrassen-Italiener am See zum absoluten Hotspot avancierte. „Weiß oder Rot?“, galt im milde machenden Sonnenschein plötzlich als akzeptable Weinberatung. Wozu auch mehr wissen? Es schmeckt eben „weiß“ oder „rot“. „Hauptsache es duhnt!“, sagt man bei uns im Norden.

Einmal Gemischtes ohne Tier

Eines heißen Abends suchte ich bei diesem Italiener unter geschätzten 81 Positionen etwas Vegetarisches. Nothing, nada, niente, oder schlicht nüscht, um im Nordischen zu bleiben. Egal, die Sonne scheint, das Leben ist schön. „Und der Salat des Hauses – vegetarisch?“, frage ich Adriano von der Adria Küste. „Gemischtes!“, lautet die uneindeutige Antwort des Chef-Kellners. „Ohne Tier?“, bohre ich weiter. „Si, Si!“.
    40 Minuten und eine halbe Karraffe der edlen Rebsorte „Rot“ später, steht Gemischtes vor mir – im wahrsten Sinne des Wortes. Das Topping: 250 g Thunfisch à la Katzenfutter-Bukett und darüber eine tellerdicke Scheibe Schinken. Ganz zickige Veggie-Blondine, die ich bin, beschwere ich mich prompt. „Entschuldigung, ich lasse die Schinken entfernen!“, tröstet Adriano. „Und der Fisch?“, konstatiere ich noch empörter. Verständnislose Blicke. „Wieso? Die Fisch isse doch vegetarisch!“. Nee, eigentlich nicht.

Neptun, Gott der schwimmenden Pflanzen?

„Aber Fisch isst du doch?“, wie oft habe ich diese Frage schon gehört. Und: Wie oft habe ich sie nicht verstanden. Wenn die Grundidee des Vegetarier-Seins doch ist, keine Tiere zu essen – warum zum Neptun sollten Fische dann eine Ausnahme sein? Schon rein evolutionsbiologisch eine spannende Frage: Warum werden Fische, wenn es um die Ernährung geht, plötzlich zu Pflanzen?
    Vor einiger Zeit habe ich eine lustige WWF-Kampagne gesehen: Kleine pastellfarbene Fischbabys – runde Gesichtchen, große Augen – schwammen da quietschvergnügt durchs Regenbogen-Wasser: Fishpuppys! Zu deutsch: „Fischwelpen“, wie knuffelig. Rosa Kuschelschwimmer statt glitschigen, grauen Laichs. Die durchaus ernst gemeinte Frage hinter dieser Initiative: Ist etwas weniger schützenswert, nur weil es minder niedlich ist? Das muss wohl jeder für sich beantworten.


Grauer glitschiger Laich versus...

 



 

 

 

 

 

...rosa Kuschelschwimmer.

 

 

 

 

 

  

 

 

Fische: Hässlich und doof?

Die schnelle Suche im Internet zeigt: Pescetarismus ist der Verzicht auf den Verzehr gleichwarmer Tiere. Evolutionsbiologisch seien Fische viel weiter von uns entfernt, als Säugetiere, sagen die Pescetarier. Soll das heißen, dass Seetier-Vegetarier alles Essen, was eben weitaus blöder ist, als sie selbst? Das weiß wohl wirklich nur König Neptun.

Japaner: Gesund und sexlos ?

Wie zu ungefähr jeder erdenklichen Streitfrage, gibt es auch zum Thema Pesco-Vegetarier eine Studie, die alles und nichts beweist. Das Ergebnis: Fisch-Veggies leben länger. Uff. Ein Totschlagargument im besten Sinne. Oder doch nur eine Killerphrase? In Deutschland stürben über 18 Mal so viele Menschen am plötzlichen Herztod wie in Japan, wo praktisch täglich Fisch auf den Tisch käme. Klingt plausibel. Eine andere viel zitierte Japaner-Studie besagt jedoch, dass gleichzeitig immer mehr Japaner die Lust am Sex verlören – und der geht schließlich auch ordentlich auf die Pumpe.
    Und was ist bekanntermaßen noch gut für unser Zentralorgan? Richtig: Rotwein, Sonne und Gelassenheit. Ich sammle also „il tonno“ aus meinem Salat und übergebe ihn dem Pescetarier neben mir. Soll der doch länger leben – wenn auch mit Fisch und ohne Liebesakt.

Donnerstag, 26. Juni 2014

 

Armes Würstchen

Kinder, endlich kann ich zugeben, was ihr lange vermutet habt: Ich bin homotofuell! Geoutet habe ich mich natürlich nicht freiwillg, sondern ein lieber Partygast auf einem Grillfest. Und auf einem solchen kann man sowieso die schönsten Geschichten erleben!

Gerade jetzt im Hochsommer kriegt man diese Frage ja oft gestellt: Was macht ein Vegetarier eigentlich auf einem Grillfest? Tja. Satt werde ich zumindest immer. Leicht habe ich es deshalb trotzdem nicht. Sie finden, ich quengele? Naja. Es ist ja nicht so, als  würde ich regelmäßig versuchen, rohes Fleisch vorm Ertrinken in Marinade zu retten um es dann Mund zu Maserung wiederzubeleben. Ich bin kein Grillfest-Crasher. Im Gegenteil: Ich mag es, zu grillen. Essen am offenen Feuer, das ist so ursprünglich, so natürlich, so gesellig. Ich freue mich über jede Einladung, wirklich!

Es geht um die Wurst 

So war ich vor einiger Zeit bei lieben Menschen zum Grillfest mit Lagerfeuer und kompletter Nachbarschaft geladen. Mit Nachbarn ist es ja wie mit der eigenen Familie: man kann Sie sich nur bedingt aussuchen. Kaum im Garten angekommen, beginnt also die Jagd auf die arme Wurst. In diesem Fall: mich. Die Gastgeber nämlich – um meine außergewöhnlichen Ernährungsgewohnheiten wissend – hatten sich im Vorfeld mit Fleischersatzprodukten ausgerüstet. Ein lieber Gedanke! Das, was daraus folgte, konnte niemand erahnen – nicht mal ich. „Wann ist die Tofuwurst denn fertig?“, ruft also der Gastgeber quer durch den Garten in meine Richtung, „bei den Dingern erkennt man das ja immer nicht so richtig!“. Der hat gesessen. Stille. Köpfe drehen sich, ich erkenne leichtes Schütteln. Viel zu viele Augen scheinen plötzlich auf mich gerichtet zu sein. „Ich bin enttarnt!“, durchströmt es mich. Das ältere Nachbar-Ehepaar am Grill beäugt währenddessen kritisch den lehmartigen Schlauch-Bratling auf dem Rost.


 Tofu macht homo

„Dü bisd jah vergäahrd rüm!“, sächselt der Nachbar mit Walross-Schnäuzer und Hut. „Ähhm, okaaay“, stottere ich total überrumpelt, habe ich doch gerade erst fünf Minuten zuvor den Garten betreten und noch nicht mal jedem die Hand geschüttelt. Doch ehe ich mich gegen den Vorwurf der Homo-Tofu-alität wehren kann, fällt mir seine Frau ins Wort. „Günn isch des mol brhöbi`an?“, fragt sie, ohne auch nur zu versuchen, den Ekel in ihrem Gesichtsausdruck zu verbergen. Nun gut, ich habe zwar einen Mordshunger, die Menge der vegetarischen Lebensmittel ist wie auf jedem Fleischfresser-Fest streng limitiert, aber „brhöbi`an“ kann sie ja mal.  „Klar“, sage ich sichtlich verwirrt und schon landet mehr als die Hälfte des Sojaprodukts auf ihrem Teller.  Mit spitzen Fingern nimmt die Dame die Wurst, verschlingt sie, kneift die Augen zusammen und schüttelt sich – als äße ein Asia-Tourist zum ersten Mal einen lebenden Mehlwurm. „Dah würst jah grang von“, konstatiert der Walross-Schnäuzer und freut sich über diese medizinisch sicherlich belegte Erkenntnis. Ja, genau denke ich – und von Salat schrumpft der Bizeps.

Tierfleisch-Plagiate 

Ich beginne nach einem großen Schluck Wein Ausschau zu halten und bewege mich rüber zu dem Tisch mit den Getränken. „Wieso isst du überhaupt etwas, das Tierfleisch imitiert?“, beschwert sich prompt der nächste weibliche Gast bei mir. „Bitte?“, frage ich noch etwas verwirrter. Immerhin habe ich selbst noch keinen Bissen gegessen, geschweige denn die verdammte Wurst des Anstoßes in diesen scheinbar immer enger werdenden Garten geschleust. „Naja“, sagt sie, „echte Vegetarier grillen Gemüse!“. „Ok, ach so“, sage ich, die Pseudo-Vegetarierin. Ich bin bereits zu kraftlos, um mich zu wehren. Wobei die Dame ja auch Recht hat: Soja-Steak, Soja-Knacker, Soja-Schnitzel, Soja-Geschnetzeltes, Soja-Gyros, Soja-Burger… Menschen, die fleischlose Gerichte entwickeln, sind sicher alles, aber keine Vegetarier.
    Klar, wenn die armen Schweine schon kein Fleisch essen dürfen, dann sollen die Sojabrocken wenigstens so aussehen wie totes Tier. Ich frage mich: Warum plagiieren vegetarische Lebensmittel so oft Fleischprodukte? Man schreit doch auch nicht nach freier Liebe und trägt dann eine Burka! Und wieso überhaupt immer wieder diese lehmigen, geschmacklosen Konsistenzen? Kein Wunder, dass man uns für solch` leidenschaftslose Genussfeinde hält, wenn die Supermarktregale voll sind mit diesen in verschiedene Formen gepressten Matschklumpen. Dabei gibt es für Vegetarier auf dem Grillfest so viele tolle Alternativen: Grillkäse und leckerer, knuspriger Halloumi zum Beispiel. Man kann so gut wie jedes Gemüse grillen: gefüllt, mariniert, bekräutert, umwickelt – es gibt tausend Möglichkeiten. Oder wie wäre es mit der guten alten Back-oder Grillkartoffel, die lieben alle, nicht nur Vegetarier. Sogar Obst als Dessert funktioniert auf dem Grill. Und natürlich vieles, vieles mehr.

 Das Beste am Feste

Selbst wenn der Gastgeber mal überhaupt rein gar nichts Vegetarisches vorbereitet haben sollte, finde ich auf jedem Grillfest etwas, was mich glücklich macht: Ein schönes, kaltes, frisch gezapftes Bier. Denn das kann man in Anwesenheit des einen oder anderen Partygasts auch wirklich gut gebrauchen.

 

Donnerstag, 3. April 2014

Der enttarnte Vegetarier

Manchmal gerät man als Vegetarier in eine echte Identitätskrise. Denn es scheint,  als wisse die ganze Welt viel mehr über die eigene Person, als man selbst. Wer also nicht von Mettbrötchen-Monstern verfolgt werden will, sollte besser Undercover bleiben.

Viele Wege führen in den Vegetarismus. TV-Dokumentationen zum Beispiel haben oft mit der Abkehr von Fleisch zu tun. Plüschige Küken fallen dort in Todes-Schredder, zusammengepferchte Angst-Schweinchen reißen quiekend die Kugelaugen auf. Gruselig! Da heißt es: Umschalten oder Appetit verlieren, klar.
Andere Vegetarier wiederum finden erst im Mittlebenskriesen-Taumel auf Esoterik-Trips durch Vorderasien zu einer Art spirituellem Vegetarismus. Kichererbsentofucurry als Ageblocker quasi. Wenn´s hilft, wieso auch nicht.
Ich hingegen gehöre tatsächlich zu den wenigen Menschen, die als Vegetarier geboren wurden. Ohne nennenswerte Fremdeinwirkung. Klingt komisch, ist aber tatsächlich so. Ich kann es mir auch nicht ganz erklären. Als Kind habe ich gedacht: Ich mag keine Tiere essen und du keinen Rosenkohl, so ist das nunmal. Doch irgendwann begannen die Menschen in meiner Umwelt seltsame Fragen zu stellen. Und sich urkomisch zu verhalten.
Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Ihnen wedelt ständig irgendwo irgendjemand mit seinem Mett-, Leberwurst oder Salamibrötchen vor der Nase rum. Um Sie – achtung – zu erschrecken! Ich meine: Wer hat denn bitte Angst vor einem Brotbelag? Wer ist denn so bekloppt? Man erdenke doch nur mal mein Alltagsleben: Fleischtheke im Supermarkt? Kreischanfall! Spanferkelchen beim Familienfest? Sirenengeheul! Das wäre ja fast so seltsam, wie jemanden mit einem Wurstaufstrich verängstigen zu wollen.

Kantige Ökolandwesen

Zum Glück ist es mir – um solche Situationen zu vermeiden – in den letzten Jahren auch immer ganz gut gelungen, Undercover zu bleiben, wenn es nötig war. Warum? Mich verrät so wenig! Rund und wohl genährt bin ich nach bestem Wissen und Talent gekleidet, recht groß gewachsen, im Sommer braun gebrannt und betreibe auch noch leidenschaftlich gern Ausdauersport. Und Vegetarier? Das sind doch diese in Jute gehüllten, kantigen Ökolandwesen! Blass und ausdruckslos fehlt denen schon die Kraft, auch nur dem nächsten Bus hinterherzulaufen – jeder weiß das!
Seitdem ich jedoch diese Texte in die Welt hinaus schreibe, blogge und poste, bin ich komplett enttarnt. Die da draußen wissen jetzt, dass ich keine von ihnen bin! Und so begann eine neue Ära der Mettmonsterverfolgung.

Veganer sind Mörder

„P.S: Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg ;-)”, stand kürzlich unter einer beruflichen Korrespondenz. Jaja, sehr lustig. „Wenn es eines Tages kein Fleisch mehr zu essen gibt, esse ich eben Vegetarier!“ , schrieb ein noch spaßvogeliger Hamburger Barkeeper unter einen meiner Facebook-Posts. Ach, Sie lachen? Das würde Ihnen vergehen, hätten Sie diese Witze schon so oft gehört wie ich. Dennoch sind mir solche Faxenmacher lieber, als diejenigen, die „ernsthaft“ mit mir diskutieren wollen: „Auch Veganer sind Mörder!!!“, warf man mir kürzlich krönend an die Facebook-Chronik. Was?!? Es folgte ein Link mit krudem Inhalt zur Weltanschauung von Vegetariern: „Die einzige Alternative, der einzige Weg, den Planeten zu retten, sei, gänzlich auf Tierprodukte zu verzichten.“ Und ich dachte immer die Rettung des Planeten sei Sache von Batman & Co.
Und warum bin ich ein Mörder? Weil – aufgepasst! - bei der Arbeit auf dem Gemüseacker doch auch mal das ein oder andere Spinnenbein in den Mähdrescher gerät. Lieber Autor dieses Textes: Ich verspreche mich hiermit demonstrativ an das nächst auffindbare landwirtschaftliche Nutzfahrzeug zu ketten – und sollte mich die Aktion mein eigenes Spinnenbein kosten!

Lieber Freund: Bitte nicht!

Und dann gibt es da noch die Menschen, die sich neuerdings wundern, dass ich gern Wein statt Kräutertee trinke („SIE?“), meine Fleisch verzehrenden Lieben nicht von ihrem dunklen Weg abbringe („Ich küsse den Veganer mit dem Mund voller Hackfleisch“, Deichkind Songtext) oder nicht längst wegen Nährstoffmangels eingegangen bin wie ein welkes Salatblatt. („Ich könnte das nicht!“)
 „Wir müssen reden!“, schrieb mir auch neulich ein Freund als Reaktion auf meine Kolumne. Lieber Freund: Bitte nicht! Ich denke, in diesem Text ist jetzt alles gesagt. 

In Zusammenarbeit mit Weltgrafiker Martin Hannemann.




Mittwoch, 12. Februar 2014

Wen schlachtet der Veganer?

Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist Attila Superhildmann! In sich verliebt wie kein anderer zieht der selbsternannte Alleskönner im V-Zeichen für Veganismus durch die TV-Shows des Landes. Stets im Gepäck: Seine Zucchini-Spaghetti. Ein Selbsttest.

 

Ein südländisch aussehender Mann in Bomberjacke lehnt mit dem Rücken gegen einen schroffen Betonpfeiler. Bunte Fantasieabzeichen zieren seine Schulter à la US-Army Pilot. „Schwäche wird sich nicht in meinem Herzen finden lassen“, steht neben dem Foto geschrieben. Und: „Ich will frohen Herzens aufs Schlachtfeld ziehen.“

Attila Hildmann leidet unter SSS, dem Sylvester-Stallone-Syndrom. Quelle: facebook.com, offizielle "Fanpage"

Herrjemine. Soll ich jetzt lachen oder weinen? Mit einer Art Röntgenblick versucht der Kerl die Kamera zu durchdringen. Zumindest kneift er genauso angestrengt die Augen zusammen. Oder ob der einfach mal muss? Ach, der imitiert Rambo? Rocky? Oder so. Na gut. Also Südland-Rambo-Rocky streckt die rechte Hand zu einem seltsamen Gruß aus. Kennen sie Mr. Spock, den Weltraumoffizier aus Star Trek? Ja, genauso spastisch spreizt Rambolino die Finger. Nur richtet er sie nicht militärisch streng im rechten Ellenbogenwinkel gen Himmel, sondern lässig schräg über seine Brust. Um der Geste noch ein wenig amerikanischen Ghettochic zu verleihen. Brennende Mülltonnen außerhalb des Fotos nicht ausgeschlossen.

Ein Vogel? Ein Flugzeug? Nein! Superhildi, der abgehobene Bruchpilot!







  Im Namen der labbrigen Lauchstange

Wer ist also dieser abgehobene Bruchpilot: Ein Vogel? Ein Flugzeug? Nein, jetzt. Es ist Attila Hildmann! Der aus Funk und Fernsehen bekannte Vegankoch, der sich nicht nur auf Facebook als eine Art Gemüse-Terminator mit Hip Hop Hintergrund inszeniert. Im fingergepreizten V-Zeichen – V für vegan – und im Namen der labbrigen Lauchstange kämpft er für... riskiert er Hautabschürfungen an rauem Beton für... ja... wofür eigentlich? Wo liegt sein Schlachtfeld – und – um Gottes Willen – wen schlachtet er?    
    Veganismus ist Pop. Oder sexy. Irgendwie so soll seine Botschaft lauten. Doch bei all der schwurbeligen Pubertäts-Prosa, bei all dem 90er-Jahre Actionheld-Gehabe ist das schöne Ziel ganz schön aus dem Blickfeld geraten. Neben dem fleischberghohen Hildmann-Ego hat es aber auch wenig Platz: Käfighaltung quasi.

Glaubt er sei Rocky, zitiert aber Schwarzenegger. Hildi, der Actionheld-Cocktail. Quelle: facebook.com, offizielle "Fanpage"

 Von Neid und nackter Brust

Auch wer „Vegan for fit“, das zweite Werk des „Künstlers“, in den Händen hält, wird nicht gleich wissen, worum es hier geht. Antwort: Um Ganz! Viel! Hildmann! Hildi, wie er sich rockymäßig Stufen heraufboxt, Hildi, wie er die nackte Brust in die Kamera streckt, Hildi wie er ultralässig mit Lebensmitteln jongliert – und ganz nebenbei immer wieder das Sportmodelabel „Oakley“ schleichbewirbt. Apropos Kleidung: Kann dem Mann mal jemand sagen, dass das permanente öffentliche zur Schau stellen labbriger Jogginghosen nicht supersexy ist? Danke.
    Hat man sich aber erstmal durch die Selbstdarstellungskaskaden gewurstelt, finden sich in „Vegan for fit“ tatsächlich auch noch ein paar Rezepte. Vegan versteht sich. Und: So gut wie frei von Kohlenhydraten. Zwei Dinge, die zugegebenermaßen nicht leicht unter einen tiertextilfreien Hut zu bekommen sind.
    Aber naja, Sie haben es sicher schon geahnt: In Wahrheit bin ich natürlich nur neidisch. Von solch einem hildmannschen Astralkörper kann ich doch nur träumen! Ich, das Pasta-Groupie. Grund genug mich auch in den „Kampf“ zu wagen, dachte ich. Und gab Hildis berühmt-berüchtigten Zucchini Spaghetti eine Chance.

Zucchini-Spaghetti-Cabonara, LowCarb, vegan. Ob der echte Rambo dafür töten würde? Wohl eher nicht.             Quelle:"Vegan for fit".

 Eine Kiste Zucchini gegen den Hunger

Doch schon das Einkaufen gestaltete sich als eine Art Herausforderung. Erinnern Sie sich an mein Energiewert-Gurken-Logical? Wenn eine Zucchini also über circa 30 kcal verfügt – wieviel grüne Stangen brauche ich dann, um satt zu werden? Richtig: Die komplette Kiste. Und an diesem Punkt wurde mir schlagartig klar, von welchem „Schlachtfeld“ Hildmanns Rede war. Haben Sie schonmal in das Gesicht einer gestressten Hausfrau gesehen, der Samstagsmorgens der vollständige Bestand Supermarkt-Zucchini vor der Nase wegschnappt wird? Schrecklich. Ohne mir die „Schwäche in meinem Herzen“ anmerken zu lassen, schlug ich mich also bis zur Kasse durch. Was mir fehlte, war eigentlich nur die lustige Fliegerjacke.
    Im Bioladen dann der nächste Schock: 10 Euro für das im Rezept verlangte Glas Mandelmus. Gott gütiger! Das hieß: 10 Euro pro Familien-Portion „Spaghetti Carbonara“. „Ich will frohen Herzens...“ murmelte ich, das Geld zähneknirschend auf die Kasse blätternd. Zuhause angekommen, drehte ich endlich die Zucchini durch den Spirelli, einen Spezial-Gemüse-Spiralschneider. Die grünen Endlosspaghetti warf ich samt Wuchermus und Räuchertofu in die Pfanne. Noch einen Spritzer Zitrone dazu und das Grün eines ganzen Töpfchens Petersilie, fertig. Kurzum: Das Gericht schmeckt – zugegebenermaßen – ganz lecker. Ja, ich würde es Ihnen sogar empfehlen. Ihnen!
    Aber können Sie sich einen dreckigen, Blut verschmierten Rambo vorstellen, der abends vom Schlachtfeld heimkehrt, und Sie bieten ihm einen Teller voll von etwas an, das den rosawolkigen Namen „Julienne“ trägt – und dann noch nicht mal eine nackte Frau ist? Eben.
"Vegan For Fit" ist eines von drei Hildmann Werken. Das neueste trägt den schönen Namen "Vegan For Youth". Ein Tausendsassa, der Hildi.

 





















Donnerstag, 19. Dezember 2013


Rettung aus der Retorte

Was wäre, wenn man Fleisch künstlich reproduzieren könnte? Was klingt wie eine Star-Trek-Fantasie, ist inzwischen Wirklichkeit. Die Lösung für unglückliche Vegetarier?

 

Wussten Sie eigentlich, dass ich mich nach dem Verzehr meiner ersten Tofuwurst spontan übergeben musste? Oh. Entschuldigung. Ich hoffe, ich störe Sie nicht beim Essen? Nein? Gut. Denn es stimmt wirklich, aber ist nun schon über 10 Jahre her. Wie ich ausgerechnet jetzt auf dieses etwas unappetitliche Thema komme? Nein, nein – die zuletzt gefeierte Weihnachtsfeier hat nichts damit zu tun.

Lang- und Kurzzeitvegetarier 

In einem der letzten Posts habe ich mich ja mit der Einteilung von Vegetariern beschäftigt: Puddingvegetarier, Flexitarier und Frutarier – Sie erinnern sich? Heute ist mir jedoch noch etwas aufgefallen. Es gibt eine Art Überkategorie all dieser „Pflanzenfresser“: Langzeit- und Kurzzeitvegetarier. Ich zum Beispiel bin eine Langzeitvegetarierin – fleischfrei seid +/- 20 Jahren. So genau weiß das niemand, nicht mal meine Mutter, die sich übrigens Zeit meines Lebens einen Spaß aus dem Versuch machte, mir Fleisch unters Essen zu mogeln. Wie oft habe ich Müllbeutel nach blutigen Beweisen durchsucht! Aber das ist eine andere Geschichte.

 Ausgespieener Fleischersatz

Was das alles mit dem ausgespieenen Fleischersatz zu tun hat? Nun ja: Der Verzehr eines wurstförmigen Nahrungsmittels, das auch noch im Geschmack dem eines echten Tieres ähneln sollte, kam mir so neu vor, dass er prompt Brechreiz auslöste. Normalerweise bin ich aber nicht so militant, ich schwöre es. Das Wurstscheibchen, das mein Brot berührt hat? Kein Problem. Der Duft des Weihnachtsbratens, der das Haus durchströmt? Lecker! Aber wie das alles schmeckt? Keine Ahnung! Ich habe es schlichtweg vergessen. Und was man nicht kennt, kann man nicht vermissen. Auch wenn viele „Allesfresser“ das nicht fassen können.

  Ich will etwas reißen!

Anders ist es mit dem Kurzzeitvegetarier. Er hat vor wenigen Jahren seufzend das letzte Steak verzehrt, sich eine Abschiedsträne aus dem Augenwinkel gewischt und dann aus ethischen Gründen dem Fleischgenuss Adieu gesagt. Sehnen jedoch, ja verzehren wird er sich weiterhin nach dem toten Tier. Vor kurzem habe ich in einer TV-Koch-Show eine Dame sagen hören: „Nach 7 Jahren Vegetarismus wollte ich meine Zähne endlich wieder in ein Stück Fleisch versenken – etwas reißen!“. Wie archaisch! Wie prähistorisch! Aber ob Sie es mir nun glauben oder nicht: Ich verstehe diese Dame. Denn Fleischgenuss scheint eine Art animalischer Trieb zu sein, der demjenigen innewohnt, der ihn erst einmal geweckt hat. Eine Art vampiresker Kampf Kopf gegen Bauch. Und irgendwann hatte eben der Bauch der TV-Frau gewonnen...

 Schicht für Schicht 

„Einmal Kunstfleisch-Burger für 300.000 Euro, bitte!“ titelte vor einigen Monaten die ZEIT und machte mich damit neugierig. Laut der Wochenzeitung servierte Forscher Mark Post an diesem Tag in einer englischen TV-Show den ersten Hackburger aus der Petrischale – live gebraten und verzehrfertig inklusive Brot, Salat und Tomate. Aus, wie er versicherte, schmerzfrei entnommenen Rinder-Gewebeproben hatte Post adulte Stammzellen gewonnen, die er anschließend in einer Nährlösung aus fetaler Flüssigkeit ansiedelte und vermehrte. Die einzelnen Zellhaufen mussten dann zu mehreren Muskelstreifen zusammengefügt werden. Schicht für Schicht klebte er so seine Bulette zusammen. Und färbte sie - rein biologisch, versteht sich – mit Safran und Roter Bete fleischfarben ein.




Die Petrischale hat ganz natürlich bereits die Form einer Bulette - praktisch!
Cyberfleisch auf Brot an Salat und Tomate.

 

 Cyberfleisch? Mit Soße ok!

„Eine mögliche Lösung für meine Kurzzeitvegetarier?”, habe ich mich da gefragt. Immerhin scheinen diese durch das inzwischen relativ breite Angebot an Tofu-Fleischersatzprodukten in den Supermärkten noch nicht befriedigt zu sein. Kein Wunder, finde ich. Denn aus Gourmandisen-Sicht betrachtet: Wer könnte schon wirklich etwas lustvoll verzehren, das statt knusprig braun meist leichenfarben ist? Und statt saftig eher zäh wie Knete schmeckt? Eben. Die ins TV-Studio eingeladenen Ernährungsexperten gaben sich dennoch unentschlossen gegenüber der Retorten-Bulette. Lebensmittelforscherin Hanni Rützler stellte sich die Frikadelle zwar etwas saftiger vor, aber mit ein wenig Salz und Pfeffer und viel Soße sei das 300.000 Euro teure Produkt schon „ganz ok”. „In 10 bis 20 Jahren ist das künstliche Fleisch marktreif“, verkündete Post schließlich live. Bis dahin fließe allerdings noch viel Geld und Forschschweiß.
    Ob ich als Langzeitvegetarierin dem Pseudo-Fleischbrät eine Chance geben würde? Hmm. 300.000 Euro in eine Spuktüte? Das ist vielleicht dann doch ein wenig  teuer.

 

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Veggie-Evolution

Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Auch Vegetarier als gemüseverliebte Spezies stellen sich diese Fragen. Denn: Fleischlos zu leben ist keine Erfindung der Neuzeit. Quer durch die Epochen hat es sie immer gegeben - nur in unterschiedlichen Erscheinungen.

Es gibt ja böse Menschen, solche nämlich, die im Oberstufen-Biologie-Unterricht mit halbem Ohr zugehört haben und heute hämisch behaupten: „Ihr Vegetarier habt euch doch um eine Evolutionsstufe zurück entwickelt!“. Haha. Stümperhaft wird diese These dann mit einem Umkehrschluss belegt: Feuer und Fleisch ließ Affenhirn wachsen, dann lässt Feuer und Rübe Menschenhirn schrumpfen. Wie geistreich. Ich meine, wenn das wirklich wahr sein sollte, dann frage ich mich doch: Warum werden wir eigentlich nicht längst von Tigern regiert und von Hyänenkindern als Spielgefährten in Käfige gesperrt? Tja, das soll mir doch mal einer erklären...

Gestaltgewordene Ernährungs-Neurosen

Kürzlich habe ich deshalb in dem Gehobene-Veggie-Küche-Duden schlechthin, dem „Teubner Vegetarisch“, etwas über die tatsächliche Geschichte der Vegetarier gelesen. Dort stand es Schwarz auf Marmorpapier: Wir sind gar nicht die gestaltgewordene Ernährungs-Neurose unserer Zeit – was ja ebenfalls oft behauptet wird. Glück gehabt!
    „Von allem Beseelten enthalte dich!“, schrieb nämlich schon im 6. Jahrhundert vor Christus ein gewisser Herr Pythagoras. Da er glaubte, der Mensch werde in Tieren wiedergeboren, hielt er jeden Verzehr von Fleisch schlichtweg für Mord. So viel Abstraktionsvermögen hätte ich einem Mathematiker bis hierhin gar nicht zugetraut.


Der Mathematiker und Philosoph Phytagoras glaubte im 6.Jahrhudert vor Christus er werde im nächsten Leben als Tier geboren. Wie er sich da so sicher sein konnte? Keine Ahnung. Gewiss ist nur, dass er deshalb zu einem der ersten Vegetarier der Geschichte wurde.



Asketen und andere Spaßbremsen

So war die vegetarische Ernährung für die nächsten 2.400 Jahre als „pythagoräische Diät“ bekannt und halbwegs akzeptiert. Im rückwärtsgewandten Mittelalter jedoch flambierte man vorsichtshalber trotzdem nochmal den ein oder anderen Fleischverweigerer als möglichen Anhänger einer ketzerischen Sekte – man kann ja nie wissen. Erst Ende des 18. Jahrhunderts zog mit der Aufklärung wieder die Vernunft in Europa ein. So beobachteten die deutschen „Vegetarianer“ sorgenvoll das Aufkommen industrieller Erzeugnisse wie Fleischextrakt und Erbswurst. Zunächst natürlich ein lobenswerter Gedanke. Doch diese „Vegetarianer“ waren in Wahrheit nur eines: Richtige Spaßbremsen. Sie verzichteten nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Gewürze,... schlimmer: Alkohol...und wohlmöglich auch noch auf körperliche Liebe, mindestens aber den Spaß daran. So machten Sie sich grau und freudlos mit selbst Gebackenem Schrotbrot und Rohkost auf den Weg, die Welt zu „verbessern“. Und sind offenbar bis heute nicht sehr weit gekommen.

Lächeln statt Rohkost
Denn: Die modernste Evolutionsstufe des Vegetariers trägt wieder ein Lächeln statt Rohkost durch die Welt. Studien belegen: Nie zuvor lebte anteilig an der deutschen Bevölkerung ein so großer Prozentsatz ohne den Konsum von Fleisch. Der heutige Vegetarier ist kein Neurotiker, nicht auf Diät, kein Anhänger einer ketzerischen Sekte und auch sicher kein Asket mit dem Hang zur Selbstkasteiung durch Spaßentzug. „Zweieinhalb Jahrtausende nach Pythagoras betritt ein neuer Besser-Esser die Bühne Europas:“, schreibt auch die Autorin im Teubner, „der vegetarische Genießer“ – was für ein evolutives Erfolgskonzept!


 Vegetarische Küche ist Genuss für alle Sinne, denn sie ist heute so aufregend und kreativ
wie nie zuvor. Über 180 vegetarische Höhenflüge in Rezeptform, entwickelt von 13 Spitzenköchen und einzigartig in Szene gesetzt, versprechen Genuss pur.
Teubner Vegetarisch, Teubner, um die
100 Euro, ISBN: 978-3-8338-2848-5.

Montag, 7. Oktober 2013

Sternstunden für VEGUXURY-Veggies

Huch? Hat mir der Stern da etwa die Idee vom grünen Gourmet geklaut? Ein Redakteur machte den total verrückten Selbsttest: Genussvoll Essen mit weniger Fleisch. Und ist nun begeisterter "Flexitarier".

"Ideen für ein genussvolles Leben mit weniger Fleisch": VEGUXURY auf dem Stern-Titel dieser Woche.
Zu Studienzeiten berichtete uns mal meine Lieblingsdozentin, dass während ihrer Zeit bei der flippigen 90er-Jahre-Frauenzeitschrift "Amica" sogenannte Selbsttests voll im journalistischen Trend lagen. "Im Schlabberlook zum Date" war eine solche literarische Selbstgeißelung, oder "eine Woche die Familie mit schlechter Laune traktieren". Das gab natürlich die ein oder andere lustige Geschichte.

Beim Nachrichtenmagazin "Der Stern" dachte sich kürzlich Redakteur Bert Gamerschlag ein ähnlich erheiterndes Spielchen aus: Er gab ein Jahr lang probeweise den "Flexitarier", also einen Halbtags-Vegetarier-auf-Gourmet-Niveau. Ganz bestimmt eine schöne Idee. Nur vielleicht nicht ganz so aussergewöhnlich wie der Autor behauptet. Und VEGUXURY-Leser natürlich wissen.

"Man kann auch auch fleischlos glücklich Leben", schreibt Gamerschlag also in dem Artikel. Vor allem lebe es sich abwechslungsreicher, sagt er, weil Mutter Natur uns so viel böte. Als aktiven Vegetarier beschreibt sich der Stern-Redakteur nun, als einen, der selbst vegetarisch kochen lernte und als Gast weder nörgelt, noch missioniert. Wunderbar: Genauso stelle auch ich mir den modernen Vegetarier vor!

Kritikern so richtig auf die Nerven gehen kann mit Beispielen und Grafiken zum Thema "Besser-Mensch-Vegetarier".


Schade nur, dass dann irgendwie doch missioniert wird. Nämlich am Rande des Artikels und in Form von den ewig gleichen Grafiken und Beispielen zum Thema "Besser-Mensch-Vegetarier". Fleischverweiger kriegen weniger Krebs und Infarkte. Aha. Das reinere Gewissen haben sie auch. Oh, oh! Und dann kommt - natürlich -  mein Lieblingsbeispiel: die "Produktion" einer Kuh verschwende im Vergleich zu einer Kartoffel eine Trillion Liter mehr Wasser. Aua, unsexy! Und so geht man mit dieser Besserwisserei Kritikern  nochmal so richtig schön auf die Nerven. Und das obwohl man sie schon fast für die eigene Sache gewonnen hatte.

Wie auch immer. Das total verrückte Ergebnis, des total ungewöhnlichen Selbsttests lautete am Ende also: Ein genussvolles Leben mit weniger Fleisch ist absolut möglich. Mensch, mensch. Das hätten ich dem Herrn aber auch vorher sagen können. Oder habe ich das vielleicht sogar?